Paolo Granchi ist nicht einfach nur ein Agronom. Er ist ein Mann, der sich bewusst entschieden hat, in seiner Heimat Castagneto Carducci zu bleiben, um sie zu leben, zu erforschen und mit Kompetenz und Leidenschaft zu schützen. Seine persönliche Geschichte ist seit seiner Kindheit eng mit der des Landes verbunden. Als Sohn und Enkel von Landwirten wuchs er zwischen Olivenhainen und Weinbergen auf und half früh seinem Vater und seinen Großeltern bei der Arbeit.
Seine Ausbildung begann sehr früh: Mit nur 14 Jahren fuhr er jeden Morgen mit dem Zug nach Grosseto, um das landwirtschaftliche Technikums zu besuchen. Danach setzte er sein Studium fort und erhielt die Zulassung als Agronom. Seit über 25 Jahren begleitet er landwirtschaftliche Betriebe und trägt sowohl zur Erneuerung als auch zum Schutz der Kulturlandschaft bei.
„Ich habe mein ganzes Leben auf dem Land verbracht. Dort ist meine Leidenschaft entstanden – und noch heute helfe ich, wann immer ich kann, im Familienbetrieb mit.“
In den letzten Jahren hat sich sein Engagement zunehmend auf ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtet, auch inspiriert durch persönliche und spirituelle Überzeugungen. Der Respekt vor der Erde und den kommenden Generationen ist zum Leitprinzip seiner täglichen Arbeit geworden.
Das Gebiet von Bolgheri und die Etruskische Küste stellen eine außergewöhnliche Agrarlandschaft dar, mit einer großen Vielfalt an Böden, Ausrichtungen, Biodiversität und Mikroklimata. Paolo betont, dass diese Landschaft, im Gegensatz zu vielen Regionen mit Monokultur, bis heute einen seltenen ökologischen und landschaftlichen Reichtum bewahrt.
„Hier findet man nicht nur endlose Reihen von Weinbergen oder Olivenhainen. Es gibt noch Wälder, Hecken, jahrhundertealte Olivenbäume und blühende Wiesen. Die Biodiversität ist sichtbar, spürbar. Und genau das macht diesen Ort so besonders.“
Ein zentraler Aspekt der landwirtschaftlichen Geschichte dieser Region war früher die Mezzadria, eine Form der Bewirtschaftung, die eine vielfältige und weit verbreitete Kultivierung von Pflanzen und Tierarten förderte: Oliven, Weinreben, Gemüse und Viehzucht. Dieser Ansatz hat eine harmonische, widerstandsfähige und regenerative Agrarlandschaft geprägt, die heute wichtiger ist denn je.
In den 1990er-Jahren bestätigte eine wegweisende Studie zur Bodenklassifikation wissenschaftlich die Qualität und Vielfalt der Böden in Bolgheri. Diese Forschung war ein Wendepunkt und ebnete den Weg für eine bewusste und hochwertige Wein und Olivenkultur.

Anpassung an den Klimawandel
Eines der zentralen Themen, die Paolo anspricht, ist der Klimawandel. Die Jahreszeiten haben sich verschoben. Pflanzen treiben früher aus, und Hitzewellen treten häufiger und länger auf. All das erfordert eine kontinuierliche Anpassung.
„In den letzten vier Jahren ist die Zahl der Tage mit über 35 °C im Frühling und Sommer von 24 auf 64 gestiegen. Das verändert alles – von den Vegetationszyklen bis hin zum Krankheitsmanagement.“
Die Arbeit eines Agronomen basiert heute auf ständiger Überwachung, klugen agronomischen Entscheidungen und neuen Techniken zur Schadensbegrenzung. Eine spätere Schnittzeit kann das Austreiben der Knospen verlangsamen. Die Auswahl trockenheitsresistenter Sorten wird immer wichtiger. Der Einsatz von Biostimulanzien und natürlichen Produkten, präziser Bewässerungstechnologie und der Erhalt der Biodiversität tragen alle dazu bei, den Boden zu schützen. Ein konkretes Beispiel ist der Einsatz von Verwirrungstechniken im Weinbau und Massenfallen im Olivenanbau, um den Insektizideinsatz drastisch zu reduzieren, oder die Verwendung von Kaolin, einem natürlichen Tonmineral, zum Schutz der Olivenbäume vor der Olivenfliege.
Landwirtschaftliche Erlebnisse für Besucher
Unser Wunsch ist es, dass Besucher von Bolgheri und der Etruskischen Küste mit einem neugierigen, aufmerksamen und bewussten Blick kommen. Nicht nur, um die Schönheit zu bewundern, sondern um die Seele dieses Ortes zu verstehen. Deshalb glauben wir an einen Tourismus, der über die Oberfläche hinausgeht – einen Tourismus, der authentische Erlebnisse des Territoriums fördert, auch durch den direkten Kontakt mit der Landwirtschaft.
Paolo Granchi bringt es klar auf den Punkt:
„An der Wein- oder Olivenernte teilzunehmen, ermöglicht es den Menschen, die Jahreszeiten und den Rhythmus der landwirtschaftlichen Arbeit hautnah zu erleben. Es liegt eine greifbare Schönheit darin, die Hände bei der Lese der Trauben zu beobachten und den Duft von frisch gepresstem Olivenöl zu riechen.“
Doch auch die weniger gefeierten Momente, wie der Winterschnitt, können sich in bedeutungsvolle Erlebnisse verwandeln: „Eine Knospe, die stehen bleibt oder entfernt wird, erzählt von einer bewussten Entscheidung. Hinter jeder Handlung steht Respekt, für die Pflanze und für die Zeit. Wenn Besucher das verstehen, kommen sie unserer landwirtschaftlichen Kultur wirklich näher.“
Die Verarbeitungsphasen, vom Olivenöl bis zum Weinkeller, runden diesen Weg ab. Zu beobachten, wie aus der Frucht ein fertiges Produkt wird, und es anschließend direkt vor Ort zu verkosten, ist nicht nur ein Genuss, sondern auch ein Weg zu mehr Bewusstsein, und zur Wiederentdeckung des Wertes von Arbeit und der tiefen Verbindung zwischen Erde und Tisch.
Die Tore der landwirtschaftlichen Betriebe zu öffnen, auch das zu zeigen, was sonst verborgen bleibt, ist für uns ein Akt der Transparenz und des Vertrauens. Eine Einladung, das Gebiet nicht als Zuschauer zu erleben, sondern als aktive Teilnehmende.


Rückverfolgbarkeit und Zukunft
Für Paolo Granchi ist Rückverfolgbarkeit nicht nur eine technische Angelegenheit. Sie ist eine ethische Entscheidung, ein Zeichen des Respekts gegenüber den Verbrauchern und gegenüber der landwirtschaftlichen Arbeit selbst. In einer Welt, in der Informationen allgegenwärtig, Vertrauen jedoch selten ist, wird es zu einem entscheidenden Mehrwert, besonders für die jüngere Generation, nachvollziehbar zu machen, woher ein Produkt stammt, wie es angebaut wurde und wann es verarbeitet wurde.
Heute kann dank Zertifizierungen und digitaler Werkzeuge wie QR-Codes, Georeferenzierung und digitaler Betriebsdokumentation jede Flasche Öl oder Wein ihre eigene Geschichte erzählen. Eine Geschichte aus bewussten agronomischen Entscheidungen, Arbeitstagen im Feld und handwerklicher Sorgfalt. Und wenn, wie Paolo anmerkt, das Etikett „Made in Italy“ oft missbräuchlich verwendet wird, dann wird Rückverfolgbarkeit zu einem kulturellen Schutzinstrument, noch bevor es ein wirtschaftliches ist.
Diese Transparenz dient nicht nur dem Schutz der Verbraucher, sondern auch dem Erhalt der Region und der Unterstützung jener Betriebe, die mit Verantwortung wirtschaften. Sie ist ein Weg, sich abzuheben, Authentizität statt Uniformität zu fördern und den Menschen eine Stimme zu geben, die ehrlich und kompetent arbeiten. Und in einer Landschaft wie der von Bolgheri, in der jedes Detail Ausdruck von Gleichgewicht und Hingabe ist, ist jede nachverfolgbare Information ein weiterer Baustein für eine Landwirtschaft mit Zukunft, tief verwurzelt in der Erde.

“Dank der Rückverfolgbarkeit können wir dem Verbraucher sagen, wo, wann und wie ein Produkt hergestellt wurde. Das schafft Vertrauen, unterscheidet und wertet auf.“
Paolo Granchi hat uns einen ehrlichen Einblick in die landwirtschaftliche Arbeit gegeben, in ihre Herausforderungen, in die täglichen Entscheidungen und in deren Einfluss auf die Landschaft und die Qualität des Gebiets.
Sein Ansatz ist zugleich tiefgründig, pragmatisch und poetisch. Er ist die Stimme eines Menschen, der das Land kennt und es besser hinterlassen will, als er es vorgefunden hat. Und er ist das perfekte Beispiel dafür, dass Bolgheri heute nicht nur eine Postkartenidylle ist, sondern ein lebendiger Ort, geprägt von Menschen, die ihn täglich mit fachkundigen Händen und offenem Herzen für die Zukunft bewahren.


