Il borgo di Bolgheri
Il borgo di Bolgheri | Credits: Daniele Fiaschi
WEIN & TERROIR | |

Bolgheri: das bestgehütete Geheimnis der Toskana

Eingebettet zwischen der toskanischen Küste und den Hügeln der Maremma ist Bolgheri heute eines der faszinierendsten Reiseziele für alle, die authentische und anspruchsvolle Weinerlebnisse suchen. Ein Ort, an dem der Wein Geschichten erzählt und die Landschaft Emotionen weckt.
Es gibt einen Moment, wenn man die von Zypressen gesäumte Allee von San Guido nach Bolgheri entlangfährt, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Eine Landschaft, die Weinliebhaber begeistert, nach Meer und Erde duftet und die authentischste Toskana erzählt.

Bolgheri liegt an der Etruskerküste in der Provinz Livorno, mit Blick auf das Tyrrhenische Meer und geschützt im Rücken durch die Metallischen Hügel. Diese außergewöhnliche geografische Lage schenkt ein perfektes Mikroklima für den Weinbau: ausgewogene Temperaturschwankungen, Meeresbrisen, die die Weinberge trocknen, und eine Sonneneinstrahlung, die eine gleichmäßige Reifung der Trauben begünstigt.

Die Böden wechseln zwischen rotem Ton, maritimem Sand und Kies und bilden ein mineralisches Mosaik, das den Weinen Komplexität und Tiefe verleiht. Genau diese geologische Biodiversität ermöglicht eine hochgradig ausdrucksstarke Weinproduktion, die den Charakter jedes einzelnen Weinbergs zum Ausdruck bringt.

Die Weinberge von Bolgheri
Die Weinberge von Bolgheri | Credits: Daniele Fiaschi

Die moderne Geschichte Bolgheris als Land großer Weine beginnt mit einer Herausforderung. In den 1960er-Jahren beschloss Marchese Mario Incisa della Rocchetta, Cabernet Sauvignon anzubauen – eine für die Toskana damals ungewöhnliche Rebsorte. Seine Wahl war kein Zufall: Mario hatte eine erstaunliche Ähnlichkeit zwischen den kiesigen, steinigen Böden Bolgheris und jenen der Graves-Region in Bordeaux erkannt, gut drainierte, tonhaltige Böden, die sich ideal für die Produktion großer Rotweine eignen.

Von 1945 bis 1967 blieb der daraus entstandene Wein, der Sassicaia, ein streng privates Produkt, das nur der Familie und engen Freunden vorbehalten war. Erst 1968 wurde er offiziell vermarktet und leitete damit eine neue Ära der italienischen Önologie ein.

Das ursprünglich für den privaten Genuss gedachte Ergebnis erwies sich als außergewöhnlich: So entstand einer der heute ikonischsten Weine der Welt. Der Sassicaia wurde zum Wegbereiter einer Bewegung, die die italienische Weinwelt revolutionieren sollte, der Supertuscans. Hochwertige Rotweine, oft aus internationalen Rebsorten und außerhalb der damaligen DOC-Regularien produziert. Ein Akt der Freiheit, der zum Symbol für Exzellenz und Moderne wurde und den Weg ebnete für heute gefeierte Namen wie Ornellaia, Le Macchiole, Guado al Tasso und viele mehr.

Später trat Nicolò Incisa della Rocchetta an die Seite seines Vaters und übernahm die Leitung des Weinguts. Mit Weitblick und Entschlossenheit verwandelte er das Pionierprojekt in ein bewusstes, ethisches und international ausgerichtetes Unternehmen, das die Identität des Territoriums in eine kraftvolle unternehmerische Erzählung übertrug.

Der Marquis Mario und Nicolò Incisa Della Rocchetta
Der Marquis Mario und Nicolò Incisa Della Rocchetta | Credits: Tenuta San Guido

1994 wurde die Qualität des Gebiets mit der offiziellen Anerkennung durch die Gründung der DOC Bolgheri bestätig, ein Beweis dafür, dass auch aus einer revolutionären Vision Tradition entstehen kann.

Heute bieten die zahlreichen Weingüter der DOC Bolgheri maßgeschneiderte Weinerlebnisse an: Spaziergänge durch die Weinberge, exklusive Verkostungen in Kombination mit regionalen Spezialitäten und entspannte Momente mit Blick auf die Hügel oder das Meer. Doch die Seele Bolgheris erlebt man auch außerhalb der Weinkeller, in den Enotheken des Dorfes, in den Küstenrestaurants mit Meerblick und in den Trattorien des Hinterlandes.

Die Zypressenallee von Bolgheri von oben
Die Zypressenallee von Bolgheri von oben | Credits: Daniele Fiaschi
Das Oratorium von San Guido von Bolgheri
Das Oratorium von San Guido von Bolgheri | Credits: Terre dei Ghelfi

Wenn man durch die Gassen von Bolgheri schlendert, zwischen kleinen Läden und Enotheken, spürt man den Hauch der Geschichte. Das Dorf ist sich selbst treu geblieben und empfängt seine Besucher ohne jede Zur Schau Stellung.

Bolgheri ist unter Sommeliers und echten Weinliebhabern bekannt, es erscheint in internationalen Führern und Fachzeitschriften. Und doch ist es überraschenderweise dem breiten Publikum noch weitgehend unbekannt. Das hat es ihm ermöglicht, seinen ursprünglichen Charme zu bewahren. Massentourismus sucht man hier vergeblich, alles lädt zu einer langsamen Entdeckung ein, zum direkten Austausch mit den Erzeugern, mit denen, die hier leben und diese Erde lieben.

Sein „geheimes Berühmtsein“ macht Bolgheri noch kostbarer. Es ist ein Ort, an den man jemanden Besonderen mitnimmt, und an den man zurückkehrt, um etwas zu feiern.

Bolgheri lässt sich nicht im Vorbeigehen erzählen. Es ist ein Gebiet, das Zeit, Aufmerksamkeit und Zuhören verlangt. Und im Gegenzug schenkt es Emotionen. Für alle, die den Wein lieben, aber auch die Schönheit einer authentischen Landschaft und die Geschichten, die sie durchziehen, ist Bolgheri ein Ort, der Eindruck hinterlässt. Ein gut gehütetes Geheimnis, das man langsam entdecken sollte, wie die schönsten Geschichten, die man sich leise zuflüstert.