Wir kamen kurz nach halb elf an, empfangen von der klaren Stille eines warmen toskanischen Morgens. Der Transfer brachte uns auf eine Straße, die sich Kurve um Kurve zu entfalten schien: einheimische Wälder, ordentlich angelegte Weinberge, Olivenhaine am Hang und in der Ferne das Meer.
Das Projekt und seine Geschichte
Bei unserer Ankunft erwartet uns eine geführte Besichtigung. Wir tauchen sofort in das Weingut ein, das tief in den Boden gegraben wurde, wo sich einst der stillgelegte Steinbruch von Cariola befand, ein aufgegebener Einschnitt in der Landschaft, gelegen auf kargem, unfruchtbarem Terrain. Heute wurde dieser Ort dank der unternehmerischen Vision von Ingenieur Alejandro Bulgheroni und seiner Familie in eines der eindrucksvollsten Beispiele nachhaltiger Erneuerung in Italien verwandelt, ein Projekt, das ökologische, kulturelle und architektonische Regeneration miteinander verbindet.

Das Gebäude wurde nach den Prinzipien nachhaltiger Architektur errichtet, entworfen vom Architekturbüro Studio Tori in Florenz, das bereits ikonische Weingüter wie Argentiera, Castello di Bolgheri und Villa Tignanello im Herzen des Chianti Classico für die Familie Antinori gestaltet hat. Die Gesamtinvestition? 23 Millionen Euro.
Alejandro Bulgheroni, argentinischer Unternehmer und Visionär in den Bereichen Energie und Landwirtschaft, stammt ursprünglich aus Italien. In seiner Eröffnungsrede, die er auf Italienisch hielt, erinnerte er daran: „Mein Urgroßvater, Giovanni Alessandro Bulgheroni, wanderte 1873 von Como nach Argentinien aus.“ In Südamerika baute er sein Imperium auf, das heute einige der renommiertesten Weingüter der Welt umfasst.
Tenuta Meraviglia ist ein ganzheitliches Projekt, das Terroir, Technologie, Umweltverantwortung und internationale Vision vereint. Über 7.000 Quadratmeter wurden erschlossen und 20.000 Kubikmeter Gestein direkt vor Ort wiederverwendet. Die Baustelle erforderte mehr als 1.125 aufeinanderfolgende Arbeitstage, um eine dreistöckige Struktur zu schaffen, die sich nicht in die Landschaft drängt, sondern sich harmonisch in den ehemaligen Steinbruch einfügt, im Einklang mit den umliegenden Steineichen- und Korkeichenwäldern, mit Blick auf das Tyrrhenische Meer und das toskanische Archipel.
Das Weingut erstreckt sich über drei terrassenförmig angelegte Ebenen und verfügt über ein begrüntes Panoramadach. Ein zukunftsweisendes Projekt, das die Struktur in den Steinbruch einbettet und die Felswand sowohl außen als auch innen sichtbar lässt, mit einer eindrucksvollen Kulisse in der großen Gärhalle, überragt von einem verglasten Verkostungsraum.
Wie bei der Eröffnung betont wurde, machen drei Elemente aus einem guten ein außergewöhnliches Projekt: ein Hindernis, das es zu überwinden gilt (der stillgelegte Steinbruch), eine Vision (die der Familie Bulgheroni) und ein Ergebnis, das Staunen, Emotion und Bewunderung auslöst.


Nachhaltigkeit als Grundlage
Beim Gang entlang der ersten Ebene wird uns sofort das ethische Herzstück des Projekts vorgestellt. Jede Entscheidung, von der Verwendung italienischer, umweltschonender Materialien beim Bau bis hin zur Rückgewinnung von Regenwasser zur Bewässerung, basiert auf einer klaren und konsequenten Vision von Nachhaltigkeit. Das gesammelte Wasser wird für die Gartenanlagen genutzt, während die Kontrolle von Erosionen durch unsichtbare, aber wirksame ingenieurtechnische Lösungen erreicht wurde. Auch die eingesetzten Maschinen sind auf einen möglichst geringen Wasser- und Energieverbrauch ausgelegt.
Keine Barriques. Die Philosophie des Weinguts ist eindeutig: die Sortentypizität des Weins nicht zu überdecken, sondern hervorzuheben. Daher setzt man auf große Eichenfässer und Behälter aus unbehandeltem Beton, ein Material, das dank seiner Porosität und Isolationsfähigkeit eine kontrollierte Mikrooxidation und stabile Temperaturen ermöglicht. Eine technische Entscheidung, gewiss, aber auch eine poetische: Der Wein atmet besser, und die Hefen arbeiten sanfter.
Regenerative Landwirtschaft und Achtung des Bodens
Der Ansatz im Weinberg ist konsequent nachhaltig und regenerativ. Nach der Lese wird der Boden ausschließlich mit Lockerungsgeräten bearbeitet, die ihn nicht verdichten. Auf 50 % der Fläche wird niemals tief gepflügt, um das natürliche Tiefenwachstum des Wurzelsystems zu fördern. Dieser respektvolle Umgang mit der Bodenmorphologie spiegelt sich in einem Weinbau wider, der Biodiversität und Bodenlebendigkeit erhält.
Das Terroir
Doch es ist die Geologie, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Im oberen Teil des Weinguts sind 34 Hektar mit Cabernet Franc bepflanzt, eine Rebsorte, die hier offenbar ihren ausdrucksstärksten Charakter entfaltet. Die Böden? Vulkanite von San Vincenzo, Gestein, das vor etwa 5 Millionen Jahren aus Lavastömen entstanden ist. „Die finden Sie nur hier“, erklärt man uns. Und tatsächlich: Die daraus entstehenden Weine zeigen eine Spannung, eine Vertikalität und eine mineralische Kraft, die man nicht so leicht vergisst.
Zwischen diesen Gesteinen gilt Vigna Pianali als besonders begünstigter Cru: eine Parzelle, in der die Wurzeln tief in das vulkanische Gestein eindringen, reichlich vorhanden, sowohl in der Tiefe als auch sichtbar zwischen den Rebzeilen. „Dort passiert jedes Jahr etwas Besonderes“, berichtet man uns.


Weiter unten, in Richtung Tenuta Le Colonne, dem „Schwesterweingut“ von Tenuta Meraviglia, verändert sich die Landschaft. Die Böden werden sandiger und bestehen aus den Roten Sanden des Val di Gori, die sich vor etwa 2 Millionen Jahren aus kontinentalen, nicht marinen Ablagerungen gebildet haben. Hier entstehen Cuvées, zugänglichere, unmittelbarere Weine.
Nach der Besichtigung steigen wir hinauf zur Terrasse mit Blick aufs Meer. Ein leichtes, sorgfältig zubereitetes Buffet erwartet uns. Die Luft ist mild, und wir trinken aromatisiertes Wasser. Die Erzählung geht weiter: Man erklärt uns, wie sich die geologischen Schichten regelmäßig abwechseln, Lavagestein, von Überschwemmungen geebnete Sedimente, freiliegender Fels und roter Sand. Eine Schichtung, die sich im Wein widerspiegelt, wie ein geologisches Echo in der Flasche.


Die Vision
Wir wechseln auf die angrenzende Terrasse, wo der offizielle Teil des Tages beginnt. Als Erster ergreift der Journalist Filippo Bartolotta das Wort, gefolgt von Sandra Scarpellini, der Bürgermeisterin von Castagneto Carducci, und schließlich von der Familie Bulgheroni. Alejandro Jr. berichtet von der Vision seines Vaters – eines argentinischen Ingenieurs mit italienischen Wurzeln und einer ausgeprägten Leidenschaft für Geologie. Aus dieser Leidenschaft entstand der Wunsch, ein Weingut zu schaffen, das die Natur nicht dominiert, sondern sich harmonisch in ihren Verlauf einfügt.


Tenuta Meraviglia ist das 14. Weingut der Gruppe Alejandro Bulgheroni Family Vineyards, die sich über Argentinien, Uruguay, Frankreich, Kalifornien, Australien und Italien erstreckt. Mit über 1.100 Hektar Gesamtfläche hat sich die Familie bewusst für Bolgheri, Chianti Classico und Montalcino als Mittelpunkt ihrer Investitionen in Italien entschieden. Und das nicht ohne Grund. Wie sie selbst sagen:
„Das ist das beste Terroir der Region. Wir glauben, es war der richtige Ort, um ein Weingut zu bauen.“
Der Tag endet im Weinkeller, wo uns ein Mittagessen in einem in den Fels gehauenen Raum erwartet, umgeben von Fässern und Stille. Das Licht ist gedämpft, und die Steinwände erzählen von Millionen Jahren Geschichte.
Im September 2025 wird Tenuta Meraviglia ihre Türen für Gäste öffnen. Die beiden Säle im Obergeschoss, die Terrasse mit Meerblick und die über dem Fasskeller schwebende Bibliothek sind für Verkostungen, Begegnungen und hochwertige Weintourismus-Erlebnisse vorgesehen.
PRAKTISCHE INFORMATIONEN
Tenuta Meraviglia
Via Vecchia Aurelia, 418, 57022 Donoratico (LI)
▶ Das Weingut wird ab September 2025 für Besucherführungen geöffnet sein
